Sachverhalt:
Der
Landkreis Wolfenbüttel ist ein Flächenlandkreis mit vielen ländlichen Gebieten,
so dass er in besonderem Maße von den Auswirkungen des demografischen Wandels
betroffen ist. Für die Wirtschaftlichkeit einer Internetversorgung bedeutet
das, dass lange Wegstrecken bzw. Investitionen nötig sind, um im Verhältnis
dazu relativ wenige Endkunden zu erreichen.
Große
Teile des Landkreises waren vor 2013 breitbandmäßig unterversorgt (ca. 100 Orte
hatten weniger als 2 Mbit/s zur Verfügung). Die großen Telekommunikationsunternehmen
zeigten kein Interesse an einem Breitbandausbau. Der Versuch, mit Hilfe von
Konjunktur-Paket-II-Mitteln (über Wirtschaftlichkeitslücke) den Landkreis
Wolfenbüttel zu erschließen, ist wegen der Insolvenz des beauftragten kleinen
Providers gescheitert. Eine marktwirtschaftliche Lösung mit Hilfe der großen
Anbieter war zeitnah nicht zu erwarten. Für kleine innovative Unternehmen ist
das alleinige Herstellungs- und insbesondere das Finanzierungsrisiko zu groß.
Für eine Kommune ist abgesehen von rechtlichen Restriktionen der schnelllebige
Kommunikationsmarkt nicht beherrschbar.
Der
zukunftsweisende Lösungsansatz lag darin begründet, dass beim Aufbau eines
Breitbandnetzes im wirtschaftlich unattraktiven ländlichen Raum eine
Risikoteilung und die Nutzung der Stärken der Beteiligten vorgenommen worden
sind. Es sollte ein Breitbandnetz ausschließlich mit eigenen Mitteln des
Landkreises (ohne Fördermittel) aufgebaut werden, in dem grundsätzlich alle
unterversorgten Orte mit Glasfaserkabeln (Fiber-to-the-Curb (FTTC))
angeschlossen werden.
Die
Wirtschaftsbetriebe Landkreis Wolfenbüttel, ein Eigenbetrieb des Landkreises
Wolfenbüttel, übernehmen dafür das Baurisiko (ca. 70 % der Gesamtkosten) und
bauen das passive Netz, da als Stärke die Erfahrung sowie örtliche Kenntnisse
im Tiefbau vorliegen und als kommunaler Betrieb günstige
Finanzierungskonditionen sowie langfristige Abschreibungen über 20 Jahre
vorgenommen werden können. Der über europaweite Ausschreibung einer
Dienstleistungskonzession gesuchte private Provider htp GmbH übernimmt die
aktive Technik, den Betrieb und Unterhalt des gesamten Netzes sowie die Inhalte
und das Endkundengeschäft (ca. 30 % der Gesamtkosten).
Seitens
des Landkreises Wolfenbüttel ist eigens für den Aufbau des Breitbandnetzes der
Breitbandbetrieb Landkreis Wolfenbüttel gegründet worden, der als eigene Sparte
neben dem Tiefbaubetrieb und dem Abfallwirtschaftsbetrieb im Eigenbetrieb
„Wirtschaftsbetriebe Landkreis Wolfenbüttel“ angesiedelt worden ist.
Eine
gute Breitbandversorgung gehört heutzutage neben Gas, Strom und Wasser zur
Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger sowie aller Betriebe. Das Projekt
„Breitbandausbau im Landkreis Wolfenbüttel“ hat gezeigt, dass auch der
ländliche Raum durch den Mut, selbst in diese Infrastruktur zu investieren,
über einen längerfristigen Zeitraum rentabel erschlossen werden kann.
Die
zu Beginn geschätzten Ausbaukosten in Höhe von ca. 18 Mio. € (11 Mio. € für
Investition, 3 Mio. € Betriebskosten und 4 Mio. € Finanzierungskosten) konnten
durch verschiedene Maßnahmen (günstige Baupreise und Verlegetechniken sowie
günstige Zinsaufwendungen) auf ca. 14 Mio. € (9 Mio. € Investition, 3 Mio. €
Betriebskosten und 2 Mio. € Finanzierungskosten) reduziert werden, so dass nach
Erhalt der Dienstleistungskonzessionserträge über 20 Jahre (ca. 16. Mio. €
Erträge) ein positives Ergebnis erzielt werden wird.
Es sind in 1,5 Jahren Bauzeit ca. 330 Kilometer Leerrohre mit
ausreichend bestückten Glasfaserkabeln außerorts und innerhalb der Orte verlegt
worden (meistens an den kreiseigenen Straßen), so dass an allen Strecken ohne
große Probleme weitere Nutzungen und Anschlüsse für 5G-Projekte und autonomes
Fahren möglich sind.
Der Landkreis Wolfenbüttel hat als erster Landkreis in
Niedersachsen im Betreibermodell die Bundesrahmenregelung Leerrohre im Jahr
2012 genutzt. Durch die erfolgreiche und wirtschaftlich rentable Zusammenarbeit
mit einem privaten Provider gerade im ländlichen Raum ist der Landkreis
Wolfenbüttel ein Aushängeschild und Vorzeigeprojekt in Niedersachsen und auch
bundesweit geworden, welches durch die Aufnahme des Projektes in die
Best-Practice-Broschüre des Breitbandbüros des Bundes in 2015/2016 deutlich
wird. Viele andere Landkreise in ganz Deutschland haben unser Projekt kopiert
und adaptiert.
Istzustand, Ausblick
Im Zeitraum 2020/2021 werden die fehlenden 500 Haushalte, die
Schulen und Gewerbegebiete mit weniger als 30 Mbit/s unter Zuhilfenahme von
Fördermitteln des Bundes und Landes mit Glasfaserkabel versorgt.
Allerdings ist festzuhalten, dass der Landkreis Wolfenbüttel
auf die neue Breitbandförderrichtlinie des Bundes zum Gigabitausbau in grauen
Flecken (größer als 30 Mbit/s) wartet. Sie sollte ursprünglich Anfang 2019 und
jetzt im Jahr 2021 veröffentlicht werden. Die fehlenden Regelungen haben einen
Stillstand beim Breitbandausbau im Landkreis Wolfenbüttel zur Folge. Die
Vorreiterrolle und der damit verbundene Wettbewerbsvorteil gehen zunehmend
verloren. Darüber hinaus ist landesweit zu beobachten, dass durch eine gezielte
„Rosinenpickerei“ der großen Netzanbieter und neuer auf den Markt kommender
Unternehmen die Wirtschaftlichkeit von kommunalen Lösungen zunehmend und zwar
massiv beeinträchtigt wird. Es drohen Verhältnisse wie vor 2012!
Lösungsvorschlag:
Um dem oben beschriebenen drohenden „Stillstand“ zu begegnen,
wurden Überlegungen angestellt, eine Breitbandnetzgesellschaft zu gründen, wie
es andere Kommunen bereits in unterschiedlicher Ausprägung gemacht haben (z. B.
Wolfsburg). Diese Gesellschaft soll die Gebiete entwickeln, für die zukünftig
keine Fördermittel zu erwarten sind. Die Kosten für die insgesamt noch
auszubauenden Gebiete betragen ca. 80 Mio. Euro netto bzw. ca. 95 Mio. €
brutto. Bei der derzeitigen Zinssituation ist nicht auszuschließen, dass rund
40 % des Breitbandnetzes ohne Zuschüsse gebaut werden wird.
Es wurde eine flächendeckende Vorplanung für den Landkreis
Wolfenbüttel erstellt und die Kosten ermittelt.
Parallel dazu wurden die Grundsatzvereinbarungen und der
Gesellschaftsvertrag erarbeitet. Letzterer weist für den Landkreis Wolfenbüttel
in der Variante 1 einen Gesellschaftsanteil von 70,1% auf. Dieser soll sich auf
mindestens 50,1% reduzieren für den Fall, dass ein Finanzinvestor für die
Absicherung seines zur Verfügung gestellten Fremdkapitals eine Beteiligung an
der Gesellschaft bis zu einer Größe von 20% anstrebt. Die kreisangehörigen
Kommunen des Landkreises Wolfenbüttel – mit Ausnahme der Stadt Wolfenbüttel –
sollen zu gleichen Teilen (je 0,25 %) als gleichberechtigte Gesellschafter
beteiligt werden.
Auf der Grundlage des vorliegenden Gesellschaftervertrages
Netzgesellschaft Braunschweiger Land mbH sind für die Stammkapitaleinlage
(insgesamt 50.000,00 €), Geschäftsanteile durch die Samtgemeinde Oderwald
i.H.v. 125,00 € zu zeichnen.
Ferner verständigen sich die Gesellschafter der
Netzgesellschaft Braunschweiger Land mbH entsprechend ihrer quotalen
Beteiligung auf eine Aufgeld-Einzahlung in die freie Rücklage der Gesellschaft
zum Gesamtbetrag von 10.000.000,00 €, mithin 25.000,00 €, für die Samtgemeinde Oderwald
(in den ersten drei Jahren der Gründung).
Ziel der Gesellschaft ist es, im Rahmen der ihr zur Verfügung
stehenden Mittel in einer zwischen den Gesellschaftern abgestimmten Reihenfolge
die Gemeinden des Landkreises Wolfenbüttel zu erschließen.
Weiteres Vorgehen
Die Verträge werden den zuständigen Gremien zur Entscheidung
vorgelegt. Parallel dazu wird die geplante Gesellschaftsgründung der
Kommunalaufsicht angezeigt.
Darüber hinaus werden vom Breitbandbetrieb Landkreis Wolfenbüttel und der htp GmbH die notwendigen technischen und kaufmännischen „Detailregelungen“ vorbereitet.
Beschlussvorschlag:
Der
Samtgemeinderat wird gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:
1.
Dem Beitritt der Samtgemeinde Oderwald der noch zu
gründenden Netzgesellschaft Braunschweiger Land mbH wird auf Grundlage des
beigefügten Gesellschaftervertrages und der Grundsatzvereinbarung zugestimmt.
2.
Die Samtgemeinde Oderwald beteiligt sich mit einer
Stammkapitaleinlage von 125,00 € bzw. einer Aufgeld-Einzahlung in die freie
Rücklage der Gesellschaft mit insgesamt 25.000,00 €.
3.
Die Haushaltsmittel werden über die Haushaltsplanung
2021 bereitgestellt.
gez. M. Lohmann
Produktsachkonto: Ergebnishaushalt Finanzhaushalt
Mittel stehen zur Verfügung: ja/nein
Gesamtausgaben:
Jährliche Folgekosten:
Jährliche Abschreibungen: