Betreff
Errichtung einer Netzgesellschaft Braunschweiger Land mbH.
Vorlage
SG-X/279/2020
Art
Beschlussvorlage Samtgemeinde

Sachverhalt:

Der Landkreis Wolfenbüttel ist ein Flächenlandkreis mit vielen ländlichen Gebieten, so dass er in besonderem Maße von den Auswirkungen des demografischen Wandels betroffen ist. Für die Wirtschaftlichkeit einer Internetversorgung bedeutet das, dass lange Wegstrecken bzw. Investitionen nötig sind, um im Verhältnis dazu relativ wenige Endkunden zu erreichen.

 

Große Teile des Landkreises waren vor 2013 breitbandmäßig unterversorgt (ca. 100 Orte hatten weniger als 2 Mbit/s zur Verfügung). Die großen Telekommunikationsunternehmen zeigten kein Interesse an einem Breitbandausbau. Der Versuch, mit Hilfe von Konjunktur-Paket-II-Mitteln (über Wirtschaftlichkeitslücke) den Landkreis Wolfenbüttel zu erschließen, ist wegen der Insolvenz des beauftragten kleinen Providers gescheitert. Eine marktwirtschaftliche Lösung mit Hilfe der großen Anbieter war zeitnah nicht zu erwarten. Für kleine innovative Unternehmen ist das alleinige Herstellungs- und insbesondere das Finanzierungsrisiko zu groß. Für eine Kommune ist abgesehen von rechtlichen Restriktionen der schnelllebige Kommunikationsmarkt nicht beherrschbar.

 

Der zukunftsweisende Lösungsansatz lag darin begründet, dass beim Aufbau eines Breitbandnetzes im wirtschaftlich unattraktiven ländlichen Raum eine Risikoteilung und die Nutzung der Stärken der Beteiligten vorgenommen worden sind. Es sollte ein Breitbandnetz ausschließlich mit eigenen Mitteln des Landkreises (ohne Fördermittel) aufgebaut werden, in dem grundsätzlich alle unterversorgten Orte mit Glasfaserkabeln (Fiber-to-the-Curb (FTTC)) angeschlossen werden.

 

Die Wirtschaftsbetriebe Landkreis Wolfenbüttel, ein Eigenbetrieb des Landkreises Wolfenbüttel, übernehmen dafür das Baurisiko (ca. 70 % der Gesamtkosten) und bauen das passive Netz, da als Stärke die Erfahrung sowie örtliche Kenntnisse im Tiefbau vorliegen und als kommunaler Betrieb günstige Finanzierungskonditionen sowie langfristige Abschreibungen über 20 Jahre vorgenommen werden können. Der über europaweite Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession gesuchte private Provider htp GmbH übernimmt die aktive Technik, den Betrieb und Unterhalt des gesamten Netzes sowie die Inhalte und das Endkundengeschäft (ca. 30 % der Gesamtkosten).

Seitens des Landkreises Wolfenbüttel ist eigens für den Aufbau des Breitbandnetzes der Breitbandbetrieb Landkreis Wolfenbüttel gegründet worden, der als eigene Sparte neben dem Tiefbaubetrieb und dem Abfallwirtschaftsbetrieb im Eigenbetrieb „Wirtschaftsbetriebe Landkreis Wolfenbüttel“ angesiedelt worden ist.

 

Eine gute Breitbandversorgung gehört heutzutage neben Gas, Strom und Wasser zur Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger sowie aller Betriebe. Das Projekt „Breitbandausbau im Landkreis Wolfenbüttel“ hat gezeigt, dass auch der ländliche Raum durch den Mut, selbst in diese Infrastruktur zu investieren, über einen längerfristigen Zeitraum rentabel erschlossen werden kann.

 

Die zu Beginn geschätzten Ausbaukosten in Höhe von ca. 18 Mio. € (11 Mio. € für Investition, 3 Mio. € Betriebskosten und 4 Mio. € Finanzierungskosten) konnten durch verschiedene Maßnahmen (günstige Baupreise und Verlegetechniken sowie günstige Zinsaufwendungen) auf ca. 14 Mio. € (9 Mio. € Investition, 3 Mio. € Betriebskosten und 2 Mio. € Finanzierungskosten) reduziert werden, so dass nach Erhalt der Dienstleistungskonzessionserträge über 20 Jahre (ca. 16. Mio. € Erträge) ein positives Ergebnis erzielt werden wird.

 

Es sind in 1,5 Jahren Bauzeit ca. 330 Kilometer Leerrohre mit ausreichend bestückten Glasfaserkabeln außerorts und innerhalb der Orte verlegt worden (meistens an den kreiseigenen Straßen), so dass an allen Strecken ohne große Probleme weitere Nutzungen und Anschlüsse für 5G-Projekte und autonomes Fahren möglich sind.

 

Der Landkreis Wolfenbüttel hat als erster Landkreis in Niedersachsen im Betreibermodell die Bundesrahmenregelung Leerrohre im Jahr 2012 genutzt. Durch die erfolgreiche und wirtschaftlich rentable Zusammenarbeit mit einem privaten Provider gerade im ländlichen Raum ist der Landkreis Wolfenbüttel ein Aushängeschild und Vorzeigeprojekt in Niedersachsen und auch bundesweit geworden, welches durch die Aufnahme des Projektes in die Best-Practice-Broschüre des Breitbandbüros des Bundes in 2015/2016 deutlich wird. Viele andere Landkreise in ganz Deutschland haben unser Projekt kopiert und adaptiert.

 

Istzustand, Ausblick

Im Zeitraum 2020/2021 werden die fehlenden 500 Haushalte, die Schulen und Gewerbegebiete mit weniger als 30 Mbit/s unter Zuhilfenahme von Fördermitteln des Bundes und Landes mit Glasfaserkabel versorgt.

 

Allerdings ist festzuhalten, dass der Landkreis Wolfenbüttel auf die neue Breitbandförderrichtlinie des Bundes zum Gigabitausbau in grauen Flecken (größer als 30 Mbit/s) wartet. Sie sollte ursprünglich Anfang 2019 und jetzt im Jahr 2021 veröffentlicht werden. Die fehlenden Regelungen haben einen Stillstand beim Breitbandausbau im Landkreis Wolfenbüttel zur Folge. Die Vorreiterrolle und der damit verbundene Wettbewerbsvorteil gehen zunehmend verloren. Darüber hinaus ist landesweit zu beobachten, dass durch eine gezielte „Rosinenpickerei“ der großen Netzanbieter und neuer auf den Markt kommender Unternehmen die Wirtschaftlichkeit von kommunalen Lösungen zunehmend und zwar massiv beeinträchtigt wird. Es drohen Verhältnisse wie vor 2012!

 

Lösungsvorschlag:

Um dem oben beschriebenen drohenden „Stillstand“ zu begegnen, wurden Überlegungen angestellt, eine Breitbandnetzgesellschaft zu gründen, wie es andere Kommunen bereits in unterschiedlicher Ausprägung gemacht haben (z. B. Wolfsburg). Diese Gesellschaft soll die Gebiete entwickeln, für die zukünftig keine Fördermittel zu erwarten sind. Die Kosten für die insgesamt noch auszubauenden Gebiete betragen ca. 80 Mio. Euro netto bzw. ca. 95 Mio. € brutto. Bei der derzeitigen Zinssituation ist nicht auszuschließen, dass rund 40 % des Breitbandnetzes ohne Zuschüsse gebaut werden wird.

 

Es wurde eine flächendeckende Vorplanung für den Landkreis Wolfenbüttel erstellt und die Kosten ermittelt.

 

Parallel dazu wurden die Grundsatzvereinbarungen und der Gesellschaftsvertrag erarbeitet. Letzterer weist für den Landkreis Wolfenbüttel in der Variante 1 einen Gesellschaftsanteil von 70,1% auf. Dieser soll sich auf mindestens 50,1% reduzieren für den Fall, dass ein Finanzinvestor für die Absicherung seines zur Verfügung gestellten Fremdkapitals eine Beteiligung an der Gesellschaft bis zu einer Größe von 20% anstrebt. Die kreisangehörigen Kommunen des Landkreises Wolfenbüttel – mit Ausnahme der Stadt Wolfenbüttel – sollen zu gleichen Teilen (je 0,25 %) als gleichberechtigte Gesellschafter beteiligt werden.

 

Auf der Grundlage des vorliegenden Gesellschaftervertrages Netzgesellschaft Braunschweiger Land mbH sind für die Stammkapitaleinlage (insgesamt 50.000,00 €), Geschäftsanteile durch die Samtgemeinde Oderwald i.H.v. 125,00 € zu zeichnen.

 

Ferner verständigen sich die Gesellschafter der Netzgesellschaft Braunschweiger Land mbH entsprechend ihrer quotalen Beteiligung auf eine Aufgeld-Einzahlung in die freie Rücklage der Gesellschaft zum Gesamtbetrag von 10.000.000,00 €, mithin 25.000,00 €, für die Samtgemeinde Oderwald (in den ersten drei Jahren der Gründung).

 

Ziel der Gesellschaft ist es, im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel in einer zwischen den Gesellschaftern abgestimmten Reihenfolge die Gemeinden des Landkreises Wolfenbüttel zu erschließen.

 

Weiteres Vorgehen

 

Die Verträge werden den zuständigen Gremien zur Entscheidung vorgelegt. Parallel dazu wird die geplante Gesellschaftsgründung der Kommunalaufsicht angezeigt.

 

Darüber hinaus werden vom Breitbandbetrieb Landkreis Wolfenbüttel und der htp GmbH die notwendigen technischen und kaufmännischen „Detailregelungen“ vorbereitet.

 

 

Beschlussvorschlag:

Der Samtgemeinderat wird gebeten, folgenden Beschluss zu fassen:

1.    Dem Beitritt der Samtgemeinde Oderwald der noch zu gründenden Netzgesellschaft Braunschweiger Land mbH wird auf Grundlage des beigefügten Gesellschaftervertrages und der Grundsatzvereinbarung zugestimmt.

 

2.    Die Samtgemeinde Oderwald beteiligt sich mit einer Stammkapitaleinlage von 125,00 € bzw. einer Aufgeld-Einzahlung in die freie Rücklage der Gesellschaft mit insgesamt 25.000,00 €.

 

3.    Die Haushaltsmittel werden über die Haushaltsplanung 2021 bereitgestellt.

 

 

 

gez. M. Lohmann


Finanzielle Auswirkungen:

Produktsachkonto:                               Ergebnishaushalt                                      Finanzhaushalt

                                                                    

Mittel stehen zur Verfügung:          ja/nein

Gesamtausgaben:                               

Jährliche Folgekosten:                       

Jährliche Abschreibungen: